Freitag, 30. Dezember 2011

28.12.11 Celtic - Rangers 1-0

Was gibt es besseres als das Fussball-Jahr mit so einem Klassiker abzuschliessen? Ein sehr angenehmer Nebeneffekt meiner Reisen zu den St.Pauli-Spielen ist, dass man Leute aus der ganzen Welt kennenlernt. Dadurch lernte ich auch so einige Fans von Celtic kennen. Sind die meisten Kontakte zu anderen Fanszenen meist ein Ding von Einzelpersonen oder Gruppen, ist die Fanfreundschaft zwischen Celtic und St.Pauli wohl noch die einzige die weite Teile beider Fanszenen tragen. (Wobei es auch da sicher Ausnahmen gibt und einige sicher gar nichts mit Celtic anfangen können, aber das soll ja auch erlaubt sein. Mit Köln können viele auch nichts anfangen, trotzdem gibt es noch viele die da Kontakte zu haben.)

Der Rede kurzer Sinn, dank dieser Kontakte zwischen Celtic und St.Pauli lernt man auch Leute kennen, die einem für solche Spiele auch mal ein Ticket besorgen können und einem auch herzlich zu Hause aufnehmen. Direktflüge aus der Schweiz nach Glasgow sind leider kaum zu kriegen und wenn nur sehr teuer. Selbst easyjet die ab Genf nach Glasgow fliegen waren rund einen Monat zuvor alles andere als billig. So ging es bereits einen Tag früher mit KLM von Genf via Amsterdam nach Edinburgh. Wenigstens war die Anreise an den Flughafen in Genf sehr entspannt und auch dort ging alles ziemlich rasch. Um 8.24 Uhr kam mein Zug in Genf am Flughafen an, um 8.33 Uhr sass ich dann dank vorherigem Online-Check-in bereits am Gate. Das nenn ich mal schnell :-) Leider wartete noch der fast 4-stünidge Aufenthalt am Flughafen in Amsterdam auf mich. Bei teurem Bier und einem ebenfalls teuren aber guten Burger wurde die Zeit aber gut überbrückt. Obwohl Edinburgh und Glasgow nicht sehr weit auseinander liegen und der Flughafen auch noch ausserhalb der Stadt in Richtung Glasgow liegt, gibt es keinen direkten Bus vom Flughafen Edinburgh nach Glasgow. So braucht man erst 20 Minuten ins Zentrum von Edinburgh um von dort in rund 50 Minuten mit dem Zug nach Glasgow Queen Street Station zu fahren. Der Zug war für britische Verhältnisse schon fast pünktlich mit rund 10 Minuten Verspätung. In Glasgow angekommen warteten auch schon Michael und Stacey, meine Gastgeber für die nächsten beiden Tage auf mich. Für all jene die noch nie in Schottland waren: Die Gastfreundlichkeit der Schotten ist zurecht legendär und ich kann nur jedem empfehlen mal dahin zu Reisen, zumal das Land auch kulturell einiges zu bieten hat.
Ersteinmal musste ich mich wieder an den schottischen Akzent gewöhnen, was besonders in Glasgow nicht gerade einfach ist. Wenn mein Gastgeber mit seiner Frau sprach verstand ich meistens nur ein paar Wörter und konnte mir den Sinn dann zusammenreimen ;-) Mit mir gaben sich beide zum Glück etwas mehr Mühe :-) Bevor wir nach Hause fuhren musste Michael erst mal noch ein paar Sachen erledigen was auch gleich den ersten Besuch im Brazen Head-Pub nach sich zog in dem sich auch schon einige Sankt Paulianer eingefunden hatten. Da lernte ich auch jenen 17-Jährigen Celtic-Fan kennen der eine Woche vor Weihnachten zu Hause verhaftet worden war weil er bei einem Heimspiel zuvor die "Celtic Symphony" mit abgeändertem Text und IRA-Bezug gesungen hatte...Man kann darüber diskutieren ob es angebracht ist eine ehemalige Terrororganisation hochleben zu lassen, aber deshalb einen Jugendlichen eine Woche in den Knast zu verfrachten und ihm ein lebenslanges Stadionverbot aufzuerlegen ist nun wirklich unglaublich...Mal ganz davon abgesehen dass ich bei einem solchen Massstab wohl schon einige Male im Knast gelandet wäre....

Nach ein paar Bier ging es aber schliesslich doch nach Hause weil ich doch schon einige Stunden auf den Beinen und entsprechend Müde war. Die beiden bestanden drauf noch etwas zu Essen zu kochen und Bier zu kaufen, die bösen Blicke als ich zumindest das Bier bezahlen wollte belehrten mich eines besseren :-) Da die beiden am nächsten Tag arbeiten mussten, ging ich so gegen elf Uhr alleine mit dem Bus in die Stadt und machte noch etwas Sightseeing. Bei äusserst wechselhaftem und stürmischen Wetter dass mich im Celtic-Shop in der Innenstadt noch eine Mütze kaufen liess machte ich mich zu Fuss auf die Stadt zu erkunden. Es ist schon augenfällig wie heruntergekommen teile der Stadt wirken. Aber entgegen vielen Meinungen gibt es auch in Glasgow ein paar schöne Ecken.






Schliesslich machte ich mich am späten Nachmittag auf in Richtung Brazen Head wo ich Käru und Säne treffen wollte die auf ihrer Junior-Hopping-Tour in Edinburgh Station gemacht hatten und mit dem Mietauto (ich sag es ja: Junior-Hopper ;-) ) kommen wollten. Dort angekommen merkte ich sofort dass es ein Fehler war nicht schon nach dem ersten SMS von Sankt Paulianern ob ich auch ins Pub kommen würde, gegangen bin. Obwohl noch mitten am Nachmittag war das Pub voll und die Türsteher liessen tatsächlich niemanden mehr rein. Nach einer halben Stunde im Regen und Wind warten hatte der Kerl an der Tür dann doch erbarmen und liess mich rein. Drinnen bereits die Hölle los, eine Liveband spielte irische Freiheitslieder und eine Menge bekannte Gesichter aus Hamburg waren auch da. Nach ein paar Bier kamen dann auch die beiden Hopper-Kücken beim Pub an, dummerweise aber nicht rein :-) So verliess ich dann halt das Brazen Head, fuhr mit den beiden in Richtung Stadion, parkten dort unweit des Stadions und begaben uns dort noch ein ein typsches schäbiges schottisches Pub um ein weiteres Bierchen zu trinken. Danach ging es früh zum Stadion, schnell noch im Fanshop umgeschaut und über den Preisunterschied in der Schweiz den Kopf geschüttelt. Bei Celtic gibts ein Original-Trikot für 35 Pfund, also etwas mehr als 50 Franken. Bei YB kostet das gleiche 120 Franken...so viel dazu...

Schliesslich gingen wir früh ins Stadion. Ein imposantes, Inseltypisches Stadion. Wie üblich auf der Insel keine Eingangskontrollen, ein Flachmann hätte man also ohne Probleme reingebracht. In Anbetracht dessen dass es in Schottland überhaupt kein Bier im Stadion gibt (Nicht so wie in England wo man meistens wenigstens in den Umläufen Bier trinken kann.) wäre das gar keine schlechte Option gewesen :-)
Das Stadion füllte sich nach und nach und die Green Brigade (Ultras von Celtic)die diagonal gegenüber unseren Plätzen zu Hause ist hatte eine grosse Choreo vorbereitet mit 5000 grünen und einigen weissen Fähnchen und zwei grossen Bannern die wegen dem stürmischen Wind wohl nicht so einfach zu handhaben war.






Schon zu Beginn merkte man dass es trotz mittlerweile vielen Derbies pro Saison immer noch ein spezielles Spiel ist. Zum Einlauf sang bereits das ganze Stadion dasselbe Lied was ein erstes mal nicht nur bei mir Gänsehautfeeling verursachte.

Celtic hatte mit einem Sieg die Möglichkeit die Leaderposition von den Rangers zu übernehmen und dies nachdem Celtic noch Ende November 15 Punkte Rückstand auf die Rangers aufwies. Celtic machte in den Startminuten den entschlosseneren Eindruck die Huns vor allem darauf bedacht hinten gut zu stehen und dem schnellen Flügelspiel von Celtic keinen Raum zu geben. Insbesondere Samaras brachte aber das eine oder andere Mal Gefahr in den Strafraum der Rangers. Ein Tor wollte trotz der grossartigen Unterstützung der Celtic-Fans allerdings bis zur Pause nicht gelingen. Es war schon sehr beeindruckend wie oft grosse Teile des Stadions in die Lieder der Green Brigade einstimmte. Auch angenehm überrascht waren wir dass wir das ganze Spiel über stehen konnten und das in einem Block weit weg von der Green Brigade. Schön dass sich da auf der Insel auch langsam wieder Leute gegen die Sitzpflicht auflehnen.

Celtic gelang schliesslich kurz nach der Halbzeit das verdiente und vielumjubelte Führungstor. Und was nun im Celtic-Park los war, ist kaum mit Worten zu beschreiben. Minutenlang sangen sämtliche Celtic-Supporter dasselbe Lied und dies in wirklich unglaublicher Lautstärke. War wirklich ein Erlebnis. Schlussendlich fiel der Sieg für Celtic zu knapp aus und das Zittern zum Schluss war eigentlich eher selbstverschuldet als einer Reaktion der Huns geschuldet. Nach dem Spiel traf ich mich wieder mit Michael um mit ihm nach Hause zu fahren. Wir fuhren zuerst im Bus seines Fanclubs in die Stadt wo er sein Auto geparkt hatte. Bei Celtic ist es üblich dass viele Fanclubs eigens Busse organisieren und dann ihre Mitglieder zum Celtic-Park fahren. Zu Hause liessen wir den Abend noch bei ein paar Bier ausklingen und schauten uns nochmal die Teile des Spiels an. Schliesslich ging es ins Bett da ich halt früh wieder los musste. Michael bestand darauf mich am Morgen zum Bahnhof zu fahren und so wehrte ich mich dann auch nicht mehr gross dagegen, ist halt einfach so in Schottland :-)

Montag, 12. Dezember 2011

Thun - YB und die Frage nach dem Sinn danach

Nach Fussball-Wochenenden wie dem zurückliegenden Stelle ich mir manchmal schon die Frage warum ich mir das immer noch antue. Aber beginnen wir von vorne. Am Samstag stand das letzte Vorrundenspiel von YB in Thun an. Nun ist es ja immer so, dass solche Spiele viele Leute anzieht, insbesondere wenn es sich um den ersten Auftritt der Gelb-Schwarzen im neuen Thuner Stadion handelt. Dass mit mehr Leuten und insbesondere bei so kurzen Fahrten auch mehr Idioten mitfahren ist leider auch eine Tatsache. Aber am Samstag in Thun war es wieder einmal unerträglich. Bereits bei Ankunft des Extrazuges wurden mehrere Böller aus dem noch fahrenden Zug geworfen. Einer explodierte dabei knapp neben einem Kinderwagen. Hätte der Idiot der den Böller rausgeworfen hatte, seine Idiotie auch nur zwei Sekunden später vollbracht, wäre der Böller im Kinderwagen explodiert. Sowas ist einfach unglaublich Scheisse. Auch auf dem Weg zum Stadion wurden dutzende dieser Knallkörper gezündet. Und wenn man die Idioten anspricht wird man bloss blöd angemacht. Ich habe dieses Treiben echt sowas von satt. Will man in naher Zukunft auch nur ein Hauch Verständnis für eine Pyrolegalisierung erreichen, dann muss mit diesen verdammten Böllern ein für alle Mal Schluss sein. Und da erwarte ich von aktiven Leuten in der Kurve auch mal deutliche Worte an solche Idioten.

Auch kann ich das teilweise extrem assige Verhalten nicht wirklich nachvollziehen. Warum man nicht einfach dezent hinter einem Baum oder Strauch oder Hecke sein Geschäft verrichten kann und stattdessen teilweise gar durch Gartentore geht und direkt an die Hauswand pisst verstehe wer will. Mal ganz davon abgesehen dass man es auch einfach am Bahnhof und oder im Zug noch machen könnte. Auch Aufkleber kann man doch einfach irgendwo an einen Stromkasten oder an ein Strassenschild/laterne kleben und nicht an Autos oder private Briefkästen. Aber scheinbar scheinen einige Individuen bei solchen Auswärtsfahrten ihr Gehirn zu Hause zu lassen, wenn sie denn jemals sowas ähnliches besessen haben...Ganz allgemein geht mir das Gepose ziemlich auf den Geist. Wie es entspannt und angenehm gehen kann, hat ja eigentlich der Rückweg gezeigt, warum ist dies nicht auch bei der Ankunft möglich ist weiss ich leider nicht. Es bleibt das Fazit, dass man sich zwar zurecht über das Bild aufregt welches in den Medien von Fussballfans gezeichnet wird. Aber wenn man sein eigenes Verhalten nicht mal im Ansatz hinterfragt und von Zeit zu Zeit die richtigen Schlüsse daraus zieht, wird es sich auch nicht gross ändern. Und ganz ehrlich für eine solche Fankultur bin ich nicht bereit den Kopf hinzuhalten. Unangepasstheit, manchmal auch Regeln ausloten und sich nicht alles gefallen lassen ja sofort. So fand ich die Graffiti-Aktion zum Beispiel sehr gelungen, zudem sah das Graffiti auch wirklich gut aus. Respekt dafür. Aber prolliges Verhalten ohne jegliche Rücksicht auf andere ist nicht das was ich mir darunter vorstelle. Und da muss sich dringend etwas ändern.

Das neue Thuner Fussballstadion ist eine 0815-Arena ohne jeglichen Charme, da denkt man wehmütig an das alte Lachenstadion zurück auch wenn die Sicht dort meistens schlicht beschissen war. Jenseits von Gut und Böse einmal mehr die Einlasssituation bei den Gästefans. Wenn man Gäste so behandelt muss man sich nicht wundern wenn sich diese dann halt auch nicht unbedingt wie Gäste verhalten... Zwei engste Drehkreuze und einmal mehr viel zu wenig Personal die das Abstasten vornehmen. Zudem äusserst fragwürdig dass scheinbar so einige Leute aus dem Heim-Stehbereich in YB-Montur einfach in den eigentlich ausverkauften Gästeblock geleitet wurden. Der Block schien doch ziemlich überfüllt zu sein...Und das ausgerechnet von den Thunern die bei jeder Pyroaktion sonst sofort ihr Wutbürgertum ausleben.

Auf dem Platz beide Mannschaften zwar gewillt nach vorne zu spielen, aber auf beiden Seiten mit hoher Fehlerqoute. Zur Halbzeit können wir mit dem 1-1 eigentlich gut leben. Zwar vergab auch Mayuka in der Startphase alleine vor dem Tor und hatte auch später noch eine Grosschance, aber die Thuner bei ihren Aktionen doch irgendwie gefährlicher. Das erste Mal in dieser Saison bin ich übrigens mit den Schiedrichter-Bashern einig. Bei Ben Khalifas erstem Tor war selbst in den TV-Aufnahmen kein Foul erkennbar und das zweite aberkannte Tor war wohl kein Abseits. Grundsätzlich aber kam auch am Samstag der unbedingte Siegeswille einfach viel zu wenig zum Vorschein und das Unentschieden geht wohl in Ordnung.

Ein Fazit über die Hinrunde: Wie schrieb Nick Hornby doch so schön? "There`s always next season" Dies allerdings zu diesem Zeitpunkt leider schon sagen zu müssen ist doch sehr enttäuschend. Auf grosse Ankündigungen folgten keine Taten. Allgemein gefällt mir diese "Ankündigungskultur" und Grossspurigkeit die bei YB Einzug gehalten hat überhaupt nicht. Aber der Fisch stinkt vom Kopf her und solange dort nichts passiert, dürfen wir wohl noch lange warten....

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Ein Stück St.Pauli geht....

Das lässt selbst mich wieder mal in die Tasten hauen...Romy und Jan haben entschieden das Raval auf den 12.November zu schliessen. Ich gebs ganz offen zu. Ich war mehr als geschockt und einen Klos im Hals hatte ich auch.... Das Raval war in den letzten vier Jahren immer ein wichtiger Anlaufpunkt für mich neben Fanladen, Jolly Roger und AFM-Container. Dies nicht nur weil man fast immer auf einem bekannte St.Paulianer traf, nein auch das Angebot und die wirklich immer äusserst herzliche Bedienung, egal ob Romy oder jemand anderes da war sucht seinesgleichen.

Für mich war es immer wieder wie heimkommen, wenn man nach einer langen Zugfahrt herzlich empfangen wird und man sich bei einer sehr leckeren Mahlzeit und dem besten gezapften Pils in meinem St.Pauli-Kosmos von den Reisestrapazen erholen konnte. St.Pauli verliert ein grosses Stück Gastronomie-Kultur und die Fanszene des FC St.Pauli verliert nach der Weinbar (oder besser gesagt sogar noch davor) einen weiteren wichtigen Anlaufpunkt.

Es bleibt noch Danke zu sagen für alles. Für jede so tolle Stunde für jedes leckere Essen dass immer egal von wem mit einer Herzlichkeit serviert wurde die nicht zu toppen ist. Danke liebes Raval-Team.

Montag, 21. März 2011

Wir sind St.Pauli! Nur was sind wir? - Ein Bloggerprojekt

Auch wenn ich der Art "Blogger" im Aufruf nicht ganz entspreche weil meine Beiträge wohl nicht unter "regelmässig" fallen und ich nicht nur ausschliesslich über mein Leben mit St.Pauli schreibe: Der Aufruf von Norbert hat mich sofort angesprochen und ich nehme mir die Freiheit raus auch etwas beizutragen ;-)

Hier nochmal der Aufruf: http://www.magischerfc.de/wordpress/?p=5545

Die Frage was wir sind und vor allem wohin wir wollen beschäftigt mich als FCSR aktuell sowieso schon täglich und ich fühle eine gewisse Resignation in mir. Dass mag mit meiner "Doppelbelastung" zu tun haben, die mich in meiner Freizeit ziemlich einnimmt, da ich nicht nur bei Sankt Pauli aktiv in der Fanszene mitarbeite sondern dies auch in Bern bei meinem "Heimatverein" tue. Das ist sicher ein Teil. Der andere aber ist (und der hängt doch mit dem ersten zusammen, denn hier in Bern ist es ähnlich bis gleich) der tägliche Kampf gegen Windmühlen. Ganz egal was aus der Fanszene an den Verein herangetragen wird, ganz egal wie laut der Protest war und ist, es geht weiter wie vorher. Zwar wird einem hie und da ein Zückerchen vor die Füsse geworfen, aber dass war es dann auch. Und die Kraft und Enerige die ich Anfang des Jahres auch hier in diesem Blog noch so euphorisch beschreiben durfte ist längst verpufft. Einzelne Gruppen und Bereiche im Stadion tragen den Jolly Rouge zwar noch weiter und versuchen das berühmte Sandkorn im Getriebe zu sein.

Aber sind wir ehrlich: Die Sache ist gescheitert. Die Forderungen der Sozialromantiker auf die sich die ganze Jolly Rouge-Bewegung aufgebaut hatte sind in keiner Weise umgesetzt worden. Nach wie vor werden neue Werbemassnahmen umgesetzt ua. mit Firmen wie Flyer-Alarm die wesentliche Grundsätze wie faire Arbeitsbedingungen nicht erfüllen und sogar Aufträge der NPD entgegengenommen haben. Oder nehmen wir AirBerlin die nach wie vor Abschiebeflüge durchführen. In beiden Fällen hat man sich beim Verein mit einer beschwichtigenden Stellungnahme zufrieden gegeben...

Tiefpunkt ist für mich aber nach wie vor die "Susi-Loge" Dort wird nämlich und sogar für die Gegengerade gut sichtbar weitergetanzt. Zwar knappstens bekleidet aber dafür munter auch in der Halbzeitpause. Nicht mal die absolute Minimalforderung dies erst nach Schlusspfiff zu tun wird also eingehalten und der Verein scheint es so zu akzeptieren.

Und wisst ihr was mich daran besonders ankotzt? Die Sichtweise auf den FC Sankt Pauli beginnt sich zu ändern. Ich meine diese Loge hat es sogar in die Schweizer Medien geschafft. Kein Wunder also dass Leute die kaum oder nur wenig mit Fussball zu tun haben, mich noch heute zuerst mal auf diese Tanzeinlagen ansprechen und nicht mehr darauf was Sankt Pauli ausmacht. Mit dem Hohn und dem Spott von ua. Lokalrivalen-Sympathisanten kann ich eigentlich noch gut leben, aber dass sich der FC Sankt Pauli plötzlich bei vielen über so etwas definiert darf und kann nicht sein.
Der Verein ist drauf und dran sich der Nische zu berauben die ihn finanziell überhaupt so erfolgreich gemacht hat. Denn wo "not established" draufsteht aber eben leider "established" drin ist lässt sich irgendwann der Mythos nicht mehr aufrecht erhalten.

Lösungsansätze

Aber ich will nicht nur jammern und so weit resigniert habe ich dann doch nicht um nicht doch darüber nachzudenken wie der FC Sankt Pauli in Zukunft aussehen soll, respektive wie dies erreicht werden kann.
Ich für meinen Teil will den FC Sankt Pauli so erhalten wie ich ihn kennen und lieben gelernt habe. Selbstverständlich nicht rückwärtsgewandt und konservativ. Für neue Ideen und von denen gibt es zum Glück in der Fanszene des FC Sankt Pauli so viele wie sonst nirgends, sollte immer Platz sein. Aber es gibt Dinge die sind nicht verhandelbar. Ich will weiterhin eine Fanszene die sich einmischt, den Verein prägt und den Verein repräsentiert. Ich will eine Fanszene die den Konsens des Antifaschismus und die Distanzierung von jeglicher Art von Diskriminierung und Sexismus lebt. Ich will einen Verein der diesen Grundsatz mitträgt und zwar ohne Wenn und Aber. Ich will einen Verein der sich wieder darauf besinnt dass es nicht getan ist damit sich "non established" auf die Fahne zu schreiben, sondern dies auch lebt. Ich denke dass die Fanszene ihren Teil dazu immer noch erbringt. Erwähnt seien hier der Aktionstag zum Spiel gegen Stuttgart oder die längerfristigen Aktionen gegen Schwarzmarkthändler. Der Verein allerdings muss dringend über die Bücher. Es braucht Leute an der Spitze des Vereins die den Stadtteil, den Verein und seine Ideale leben. Das tut die Führung derzeit offensichtlich nicht. Ich für meinen Teil sehe zwei Möglichkeiten dem etwas zu entgegnen.

1. Absteigen.
Ich weiss dass ich definitiv nicht der Einzige bin der dies im Moment als einen der Auswege aus dieser Kommerzialisierungsspirale sehe. Ich weiss aber genau so dass sie eigentlich dem Wesen Fussball diamentral widerspricht. Logisch will ich als Fussball-Fan auch dass mein Verein so erfolgreich ist wie möglich. Aber nicht um jeden Preis. Und für mich ist der Preis den wir gerade dafür zahlen in der 1.Bundesliga zu spielen einfach zu hoch.

2.Neue Führung
Ein heikler Punkt. Umso mehr als dass das neue Präsidium eigentlich mit guten Vorzeichen gestartet ist. Aber ich sehe die oben genannten Punkte nicht mehr vertreten, sei es im Präsidium oder auch in der Vermarktung. Die Frage bleibt wer es denn besser machen würde. Ich weiss es nicht auch weil ich Leute die solche Posten übernehmen würden schlicht nicht kenne da ich halt in der Schweiz lebe. Aber ich weiss dass es im Umfeld des Vereins durchaus Leute geben würde die diese Werte leben und auch fähig wären den Verein in dem Sinne zu führen. Ich weiss dass es einfach ist Forderungen zu stellen und dann keine Lösungen parat zu haben. Trotzdem kann ich die Eindrücke welche ich in den letzten Monaten gewonnen habe nicht einfach unter den Teppich kehren. Ich will ein Präsidium und eine Vermarktung die dem "anders sein" Rechnung trägt, neue Wege geht und nicht einfach jeden Scheiss kopiert den man auf Schalke oder in Hoffenheim ertragen muss. Im Moment sind wir ja zum Glück immer noch ein gutes Stück von sowas entfernt aber anderes wie Susis-Loge hat die bei weitem in den Schatten gestellt.

Die Fanszene

Ich gebe es zu: Ich bin ein Fussball-Hippie. Ich bin auch bei St.Pauli gelandet weil ich bei meinen ersten Besuchen am Millerntor immer einen entspannten Umgang mit den Gästefans erlebt habe. Das hat doch etwas gelitten in letzter Zeit. Natürlich liegt das auch an den Gästefans die Toleranz und Gastfreundlichkeit leider heutzutage zu oft mit einem Freipass verwechseln und sich derart daneben aufführen wie sie es zu Hause niemals könnten. Dass man da auch mal laut werden kann verstehe ich voll und ganz. Und natürlich hat das auch damit zu tun, dass gerade in der ersten Saisonhälfte schon fast der Eindruck enstehen konnte dass sich alle anderen Fanszenen der 1.Bundesliga in einem Wettstreit befinden wer als erstes das Jolly Roger erstürmen kann. Spätestens dann bin ich auch kein Hippie mehr und ich sehe es als absolut legitim an seine Läden und Einrichtungen auch mit Gewalt zu schützen, das steht ausser Frage. Trotzdem wünschte ich mir in dieser Hinsicht einen etwas entspannteren Umgang. Wenn einer auf der Süd einen Sitzplatz ergattert hat und mit Schal dort aufkreuzt ist das noch lange kein Grund ihm deswegen einen körperlichen Verweis anzudrohen.
Der Hippie verlässt mich aber ebenfalls wenn es Leute in den "eigenen Reihen" für nötig halten Frauen zu begrabschen oder Schimpfwörter wie "Fotze" "Schwuchtel" oder ähnliches als normalen Slang betrachten. Solche Leute haben an meinem Millerntor nach wie vor nichts zu suchen und das kriegen sie auch deutlich zu hören wenn es sein muss. Und ja ich wünschte mir bei vielen Sympathisanten eine ernsthaftere Auseinadersetzung mit der Sache Sankt Pauli als bloss Paaady und saufen. Nach Niederlagen bin ich jeweils froh um die vielen Leute die ich kenne und von denen ich weiss dass sie auch so fühlen wie ich. All die grölenden Paady-Leute gehen mir dann jeweils gehörig auf den Sack.

Ich will eine Fanszene die sich weiterhin politisch positioniert, die klar macht wo wir stehen und welche Ideale wir hochhalten. Ich will eine Fanszene die aber auch in sich etwas mehr Toleranz gegenüber anderen walten lässt und nicht gleich bei jedem kleinen Pups alles Scheisse zu finden. (Klar war jetzt überspitzt formuliert, gerade das Forum zeichnet hier auch ein völlig überdrehtes Bild, in Wirklichkeit sieht es schon etwas anders aus...) Ich will deshalb aber auch eine Fanszene die sich weiterhin immer wieder hinterfragt und auch mal einen eingeschlagenen Weg ändert.

Abschliessend bleibt zu sagen: Auch wenn sich der Verein nicht in die von mir gewünschte Richtung entwickeln sollte: Etwas äusserst wichtiges was ich durch Sankt Pauli gewonnen habe werde ich bestimmt nicht mehr verlieren: All die Kontakte und Freundschaften zu so vielen lieben Menschen die ich dank dem FC Sankt Pauli gewonnen habe werden mich ganz sicher weiter begleiten.

Mittwoch, 16. März 2011

Polizeigewalt bleibt ungestraft

Dürfte in Bern momentan auch interessieren....

Pressemitteilung Ballkult vom 15.03.

Polizeigewalt bleibt in Hamburg unbestraft

In den letzten Tagen haben vielen Menschen, die nach dem Überfall der BFE Eutin auf das Jolly Roger nach dem Schanzenfest 2009 Anzeige erstattet haben, Post von der Staatsanwaltschaft bekommen, dass eine Anklage gegen Polizeibeamte nicht erhoben wird.

Als Begründung wurde angeführt, dass das polizeiliche Vorgehen rechtmäßig war, um Straftaten zu verhindern.

Es wäre übertrieben zu sagen, dass uns diese Entscheidung überrascht, passt sie doch in die Strategie von Polizei und Justiz, die Opfer zu Tätern zu machen. (In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf die Vorkommnisse nach dem ausgefallenen Derby, als die Polizei nichts gegen die Angriffe von hsv-Fans auf das Jolly Roger unternahm, dann aber umso entschiedener gegen Menschen vorging, die sich vor dem Jolly Roger zum Schutz des Ladens versammelt hatten.)

Interessant ist aber, dass Menschen, die Anzeigen stellen möchten, zukünftig eine umfassende Würdigung der Gesamtsituation vornehmen müssen und nicht einfach eine gegen sie begangene Straftat anzeigen dürfen, in dem Vertrauen, dass die Justiz dann unvoreingenommen ermittelt. Oder wie dürfen wir verstehen, dass „der Mandat unglaubhaft ist, da er die polizeifeindlichen Aktionen vollständig ausblendet“ (sinngemäßes Zitat).

Auch folgende Anmerkung überrascht uns sehr:

„Nach etwa 30 Sekunden verließen die Beamten der BFE wieder das Lokal, um sich nicht weiter der durch das Pfefferspray mittlerweile erheblich beeinträchtigen Raumluft auszusetzen und den sich innerhalb der Räumlichkeiten aufhaltenden Personen die Gelegenheit zu geben, ihrerseits die Lokalität zu verlassen.“

Es überrascht nicht so sehr die Tatsache, dass die BFE-Beamten es in der von ihnen verursachten Pfefferspray-Wolke nicht länger aushielten – eher die Behauptung, dass auch den Gästen die Gelegenheit gegeben werden sollte, wieder etwas Sauerstoff zu atmen. Vorhandene Videos belegen ziemlich deutlich, dass entsprechende Versuche der Gäste mit massivem Wasserwerferbeschuss auf die Eingangstür beantwortet wurden.

Über das weitere Vorgehen beraten die Betroffenen nun mit ihren Anwälten. Es ist aber erschreckend, dass wieder einmal alle Statistiken bestätigt werden, die belegen, dass Gewalt durch Polizeibeamte straffrei bleibt. Wir würden uns wünschen, dass die Justiz mit dem selben Eifer gegen Polizeibeamte ermittelt, den sie an den Tag legt, wenn es um Menschen geht, die Fußwege mit Kreide bemalen (siehe Oz-Prozess).

Uns bleibt nur, unsere Hoffnung in die neue Regierung zu setzen. Gegen den Korpsgeist der Polizei wird sie nicht viel ausrichten können, aber vielleicht unternimmt sie endlich ernsthafte Schritte, um die Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten einzuführen (die in Berlin problemlos funktioniert) und wieder eine unabhängige (!) Kommission einzurichten, die Vorwürfe gegen Polizeibeamte prüft.

Ballkult eV, 15.03.2011

Samstag, 26. Februar 2011

the dream is over...

Aus und vorbei. die Reise in die Kälte von St.Petersburg bedeutet schlussendlich das Ende einer schier unglaublichen Europacup-Saison. Bereits das Weiterkommen gegen Fenerbahce Istanbul in der 2.Quali-Runde der Champions League war eine Sensation. Es folgten weitere historisch anmutende Auftritte gegen Tottenham, die zwar das Ende der Champions League-Träume bedeudete, aber uns dank dem Sieg über Fener bereits in die Gruppenphase der Europa League spülte. Auch dort schaffte es kein Team uns im Wankdorf eine Niederlage zuzufügen und selbst das grosse Zenit Sankt Petersburg, seineszeichens vor zwei Saisons noch Europa-League-Sieger, musste mit einer Niederlage aus Bern abreisen. Das Rückspiel nun bedeutete aber Endstation.

Nach dem ich mich am Mittwoch früh schnell noch mit dem letzten nötigen Utensilien ausgerüstet hatte (Thermos-Unterwäsche ;-) ) gings los Richtung Flughafen Zürich von wo wir via Riga nach Sankt Petersburg flogen. Dort angekommen, waren wir erstmal überrascht über das schnelle Einreiseverfahren. Kurzer Blick aufs Visum, Stempel und gut war. Ausser einer scharfen Zurechtweisung an einen unserer Reisegruppe hinter der roten Linie am Boden zu warten ging das alles auch Wortlos vor sich. Die Kälte durften wir dann ein erstes Mal beim warten auf den Bus der uns zur Metro bringen sollte, erleben. -15 Grad ist schon was anderes als die Temperaturen die im Winter bei uns so herrschen...Der alte klapprige Bus kam dann nach ein paar Minuten doch noch. Bezahlt wird dort übrigens in den Bussen selbst, wobei tatsächlich pro Bus ein Verkäufer und Kontrolleur mitfährt....Der natürlich nur russisch sprechende Mann war sehr Hilfsbereit und das Wort "Metro" kannten zum Glück wir und er. So deutete er uns auch an der richtigen Haltestelle Auszugsteigen. Dort runter in die Metro, das Metro-Ticket an der Kasse gekauft (Automaten gab es keinen) wobei es etwas verwirrlich war weil dort stand dass man für ein Gepäckstück zahlen müsste, einige das auch Taten aber trotzdem nur einen Jeton brauchten um dann die Schranken zu passieren.
Den Weg zum Hotel fanden wir im leichten Schneefall auch ohne Probleme und so waren gegen 23 Uhr im Hotel. Dort hatten zwei noch das Glück dass ihre Reservation nicht auffindbar war und vom Hotel deshalb zum gleichen Preis wie wir eine Suite bekamen...Dafür hatten sie allerdings auch drei Stunden in der Lobby gewartet, weil sie schon früher mit anderen Flügen ankamen aber jemand aus unserer Reisegruppe die Reservation getätigt hatte...

Schnell die Zimmer bezogen und dann gleich noch mal in die Kälte um was essen zu gehen. Weit ging es allerdings nicht, gleich um die Ecke war ein Restaurant welches noch offen hatte. Zwar ging es eine Ewigkeit bis überhaupt die Bestellung aufgenommen war, weil der Typ ein grossartiger Verkäufer war und alle zu etwas teurerem verleiten wollte...Und die Flasche Vodka konnte er uns schliesslich auch noch aufschwatzen, denn man sagt ja schliesslich dass zu jedem guten Essen der Vodka in jedem Fall dazu gehört. Dann war es auch schon gegen 2 Uhr. Noch schnell im 24-Stunden-Shop gleich über die Strasse beim Hotel (der uns noch einige gute Dienste erweisen sollte ;-) ) ein paar Bier geholt und uns im Hotel auf ein paar Sofas niedergelassen und den Abend ausklingen lassen. Die Reise war anscheinend anstrengend, zum Frühstück schafften wir es jedenfalls nicht. Und auch der erste geplante Abstecher in die Stadt endete schliesslich beim Kaffee in der Hotelbar und einem raschen Mittagessen nicht weit vom Hotel. Wir hatten für die Fahrt von den beiden Hotels in denen die meisten YB-Fans logierten, zwei Busse organisiert. Wobei der eine Bus erst uns abholte und dann zum anderen Hotel fuhr um dort auf den zweiten Bus zu warten. Nach ein paar Bier in der Hotelbar gings dann mit Polizeibegleitung Richtung Stadion. Dort wurden wir in einem Polizeicordon zu unserm Block geführt, wobei es Ausserhalb des Blockes keine Trennung gab und man um zur Toilette zu gehen aus dem Block raus musste, ebenfalls um etwas zu trinken oder essen zu holen. Das Stadion selbst eine sehr schöne "Ostblock-Schüssel" mit nur einem Rang und vier riesigen Flutlichtmasten, ein Schmuckstück und auch der Beweis dass auch in einem Stadion ohne Bedachung Stimmung aufkommen kann. Insbesondere wenn wie bei Zenit schlicht alle vier Tribünenteile mitmachen, selbst jene auf der Haupttribüne. Ein Erlebnis war auch die Kommunikation mit der Polizei welche vor und in und um unseren Block ziemlich massiv vertreten war. Einige hatten noch keine Tickets und entgegen der vorher bekommenen Info es werde kein Problem sein noch welche zu kaufen, ging es einige Zeit bis einer der Polizisten dann in rudimentärem Englisch zu verstehen gab dass jene die noch ein Ticket bräuchten zu ihm kommen sollten. Hörte sich dann ungefähr so an: "They need Tickets, come here, and I will go" (Handzeichen auf die andere Seite des Eingangs) Zuerst dachten wir dass er dann für jene Tickets holen geht. Aber schliesslich ging er einfach auf der anderen Seite mit ihnen in den Block rein. Das nenne ich mal unkompliziert. Wobei er sich penibel notierte wie viele er reingelassen hatte. Könnte mir vorstellen dass YB noch eine Rechnung erhält :-) Ganz allgemein war das Auftreten der Polizei sehr entspannt und angenehm auch wenn dann doch noch ein paar Ausreisser nach unten gab...So musste unser Capo nach rund 30 Minuten plötzlich vom Zaun runter. Vorher hatte sich niemand darüber beschwert...Und leider waren in den angrenzenden Heimblöcken einige Idioten zugegen die von der Polizei unbehelligt blieben. Zuerst kamen vereinzelt Schneebälle geflogen, was ja noch egal ist und von den Leuten in unserem Block auch eher belustigend aufgenommen wurde. Doch nach unserem Führungstor kamen plötzlich Eisklumpen geflogen und das nicht zu knapp...drei YB-Fans wurden dabei verletzt einer sogar so schwer dass er sich nähen lassen musste und die zweite Halbzeit gar nicht mehr im Stadion mitbekam. Die Reaktion der Polizei? Achselzucken....Zum guten Glück reagierte unser Block sehr besonnen und es flogen nur sehr vereinzelt wieder Eisbrocken zurück. Eine Eskalation hätte da bloss für die rund 150 YB-Fans folgen gehabt und dass kapierten zum Glück die allermeisten im Block. Und auf die Erfahrung von der russischen Polizei eingebuchtet zu werden war auch niemand scharf...Mit dem weiteren Spielverlauf beruhigte sich die Werferei dann auch ziemlich schnell. Nur zu gerne hätte ich allerdings danach die Reaktionen sehen wollen, wäre uns in der Schlussphase der sehr gut mögliche zweite Treffer noch gelungen. Aber ich habe vorgegriffen. YB begann das Spiel nämlich so wie es Zenit bei uns begonnen hatte. Mit einem Sturmlauf. So scheiterte zum Beispiel Spycher mit einem satten Weitschuss am Zenit-Goalie und Jemal brachte seinen Kopfball nur knapp nicht im Tor unter. Es war dann erneut Jemal der nach einem Eckball von Raimondi völlig freistehend zur verdienten Führung einköpfte. In der Folge hatte Zenit zwar mehr Ballbesitz, aber die Chancen hatte weiterhin YB. So strich ein Weitschuss von Lulic nur Zentimeter am Tor vorbei. Es war dann allerdings auch Lulic der am Anfang des Ausgleichs stand. Nach einem Ballverlust dem m.E. allerdings ein Foul vorausgegangen war ging es blitzschnell und schliesslich stand ein Zenit-Spieler völlig frei vor Wölfli und der liess sich nicht zweimal bitten. Der zu diesem Zeitpunkt eher glückliche Ausgleich für die Russen. Aber eben auch die Erkenntnis dass es gegen solche Spitzenmannschaften nur wenig Fehler erträgt und dass solche Klassespieler halt auch auf einem schlechten Platz sehr schnell und präzise spielen können. YB hielt das 1-1 bis zur Pause eigentlich relativ sicher, hatte nach Wiederanpfiff allerdings gleich erhebliche Mühe den nun stärker werdenden Russen Paroli zu bieten. Und so kam das 2-1 für Zenit schon recht früh, wobei es vor allem dem schlechten Stellungsspiel unserer Mannschaft zu verdanken war das der Torschütze auf der rechten Seite derart alleine war und den Ball in aller Seelenruhe in die entfernte Torecke hämmern konnte. Zenit machte nun die Räume viel enger und übte viel mehr Druck aus. So kamen sie vermehrt zu Chancen, die aber von Wölfli allesamt zunichte gemacht wurden. YB verstand es nur noch vereinzelt Nadelstiche zu setzen, wenn aber dann oft gefährlich. So strich ein Freistoss von Raimondi nur knapp am Lattenkreuz vorbei. Gut 10 Minuten vor Schluss patzte Raimondi bei einer Flanke und verpasste den Ball, Zenit bedankte sich mit dem 3-1. YB warf nun nochmal alles nach vorne und sogar Wölfli stürmte wieder mit nach vorne. Und die Chancen noch das zweite Tor, welches gleichbedeutend mit dem weiterkommen gewesen wäre waren durchaus vorhanden. Zuerst scheiterte Bienvenu mit seinem Versuch am Pfosten und in der Nachspielzeit stand plötzlich Dudar alleine vor dem Zenit-Keeper brachte den Ball aber auch nicht ins Netz. So blieb es schliesslich beim 3-1 für Zenit und dem Ausscheiden von YB. Klar es ist enttäuschend so nahe dran gewesen zu sein diesen Topklub auszuschalten und es trotzdem nicht geschafft zu haben. Aber dann von "veryoungboysen" zu reden und gar die Einstellung der Mannschaft in Frage zu stellen nach so einem Spiel ist wirklich nur noch mit Realitätsverlust zu erklären. Nach einem wirklich erknorzten Unentschieden in Thun bei dem die Einstellung über weite Strecken das Problem war hört man nichts. Nach einem grossen Effort und der Chance bis in die Nachspielzeit des zweiten Spiels gegen einen europäischen Topklub weiterzukommen wird dann geflucht und über Spielsysteme und Aufstellungen diskutiert. Einfach nur lächerlich. Nach etwa einer halben Stunde Wartezeit in der Kälte durften wir dann als letzte auch noch das Stadion verlassen. Draussen direkt vor dem Stadion warteten auch schon unsere zwei Busse die uns wieder zu den Hotels fuhren. Beim Zwischenhalt im ersten Hotel wäre es beinahe noch zu einem spektakulären Unfall gekommen. Der uns vorausfahrende Polizist konnte die Schranke nicht öffnen da er kein Ticket hatte. Er stieg aus und deutete unserem Fahrer an das er das Ticket benötige. Dieser öffnete die Tür und stieg aus, hatte aber offenbar vergessen auf der leicht abfallenden Strasse die Handbremse zu ziehen. Der Bus jedenfalls rollte natürlich an und der Polizist blieb tatsächlich einfach vor dem Bus stehen und winkte wild mit den Armen. Kurz vor dem Polizeiauto und noch etwas kürzer vor dem Polizisten brachte der wieder in den Bus gesprungene Fahrer es gerade noch das Fahrzeug wieder anzuhalten. Die Reaktion des Polizsiten. Ein schelmisches Grinsen und ein kleiner Wink mit erhobenem Zeigefinger...Beim unserem Hotel angekommen hatten alle natürlich entsprechend Hunger und so folgten wir den "CaFo`s plus" in ein Pub welches angeblich nicht weit weg war. Nun ja, es waren dann sicher 20 Minuten, aber immerhin lohnte es sich. Das Bier war gut und das Essen ebenso und das Pub war auch sehr nett. Wenig später erschien dann auch noch unser Spitalhopper mit genähter Platzwunde. Die Russen waren gründlich gewesen, so machten sie auch gleich noch ein CT bei ihm und für die gesamte Behandlung 8500 Rubel, man stelle sich vor was das in der Schweiz gekostet hätte...für umgerechnet rund 300 Franken wäre wohl nicht mal eine Ambulanz bereit gestellt worden...Aber schon bitter das wegen ein paar Idioten neben dem Gästeblock jemand die Hälfte eines Spieles verpasst für dass er soweit gereist ist und einiges an Geld ausgegeben hat. Er nahm es allerdings mit Humor und fragte erstmal ob denn jetzt der Ground zähle :-)

Ziemlich Müde machten wir uns dann auf in Richtung Hotel, kamen dann aber nicht am 24-Stunden-Shop vorbei. Wir holten uns ein paar Bier und als kurze Zeit später auch noch ein paar weitere Trunkenbolde eintrafen war es schon passiert. Der 24-Stunden-Shop dürfte jedenfalls Freude gehabt haben an uns, da wir noch einige Male wieder runter gingen um Bier zu holen. Nett auch die Russen in einem der Zimmer die bei offener Tür laut diskutierten. Irgendwann erschien die Receptionistin Elena und beschwerte sich bei uns, wir zeigten alle ganz unschuldig in Richtung des Zimmers und sie ging tatsächlich dort hin und stauchte jene zusammen. Es entwickelte sich dann ein Running Gag der halt wohl nur in der Situation lustig war, der Schotte der kurze Zeit später völlig besoffen daher kam jedenfalls verstand unser "pssst Elena!" sicher nicht. Allerdings verstand er wohl sowieso nicht mehr all zu viel. Er prahlte jedenfalls alle 10 Minuten damit dass er am WM-Final gewesen sei und Miss Brasil und Miss Espana kennen würde, was er jedesmal mit Fotos auf seinem Iphone untermauerte. Irgendwann verzog ich mich dann auch ins Bett so gegen 5 Uhr oder so da wir ja am nächsten Tag doch noch einges besichtigen wollten. Unsere abgemachte Zeit hielten wir zwar nicht ganz ein, aber immerhin gings dann gegen zwölf Uhr auch los. Ebenfalls mit jener Person welche noch im anderen Hotel gefeiert hatte...und den Bildern nach war dies auch eine ziemlich heftige Feier..."Ultras in Tights" sag ich da nur :-)
Und so bekamen wir dann doch ein Bild von dieser wirklich wunderbaren Stadt mit den vielen historischen Gebäuden und Kathedralen. Leider konnten wir den Winterpalast nur von weitem bestaunen, da irgend ein VIP mit einer unglaublichen Begleitkolonne kurz vor uns dort angekommen war und der gesamte Platz davor sowie alle Wege zum Palast von der Polizei abgesperrt worden waren. Und für den Katharinenpalast fehlte uns dann leider doch die Zeit. Schliesslich begaben wir uns dann am Abend wieder in dasselbe Restaurant wie schon am ersten Abend. Und es sollte noch eine lange Nacht werden....Schluss endlich hatten wir zu siebt eine Rechnung von 23`000 Rubel....Irgendwie lernten wir dann im Restaurant noch Marina und Alexey kennen und luden sie noch zu einem Schlummertrunk ins Hotel ein wobei wir uns sogar noch über Politik unterhielten wobei ein gewisser C.F. auch genannt P. immer wieder durch ausfallende anzügliche Sprüche auffiel ;-)Dann hatten wir noch kurz Zeit zu duschen und dann ging es bereits wieder zum Flughafen. Eine insgesamt sehr angeschlagene Reisetruppe fand sich schliesslich in den organisierten Kleinbussen wieder. Nun kam noch das nervigste der sonst eigentlich entspannten Reise. Bereits zum Betreten des Flughafengebäudes musste eine Sicherheitskontrolle passiert werden. Danach gleich noch eine um in den Check-In Bereich zu kommen. Die angestellten der AirBaltic schauten dann auch noch penibel darauf dass das Handgepäck 8 Kilogramm Gewicht nicht überschritt was einigen nochmals den Gang durch die Sicherheitskontrolle bescherte weil die Schalter zum Bezahlen natürlich draussen in der Halle vor dem Check-In eingerichtet waren...Und nach dem Check-In kam natürlich nochmals eine Sicherheitskontrolle. Es spricht dann schon für sich, dass an keiner der drei Kontrollen meine 7up-Dose die in meiner Tasche war beanstandet wurde obohl die ja mehr als 100 ml Inhalt hatte....Beim Warten zum Boarding ein erstes Mal eingepennt und auch auf den Flügen von St.Petersburg nach Riga und von dort nach Zürich eigentlich durchgepennt. Mit einem schönen Kater den letzten Teil der Heimreise im Zug angetreten und dann noch die ärgerliche Niederlage von St.Pauli live geschaut. Danach wollte ich eigentlich noch die Sportschau schauen, schlief aber gleich ein und pennte durch bis der Wecker mich zum Frühdienst rief....

YB hatte mit Fenerbahce, Tottenham, Stuttgart, Getafe, Odense und Zenit St.Petersburg alles Gegner die mit einer Ausnahme (Odense) höher einzustufen sind als wir. Mit Vereinen aus England, Deutschland, Spanien und Russland waren die aktuell stärksten Ligen wohl ausnahmslos vertreten. Und gegen jeden dieser Gegner wurde einmal gewonnen. Das ist eine sehr starke Bilanz. Ich jedenfalls bin dankbar für eine tolle Europacup-Saison mit unvergesslichen Highlights wie den Sieg in Istanbul und die ganze Reise nach Istanbul insgesamt. Mit der unglaublichsten halben Stunde gegen Tottenham in der ich wohl das beste YB meines Lebens gesehen habe. Mit der Wende auf dem Schneegeläuf des Wankdorfs gegen Stuttgart. Mit dem tollen Auftritt in London als 1100 Berner trotz einer klaren Niederlage die Tottenham-Fans in Grund und Boden sangen. Mit der Sonderzugreise nach Stuttgart oder eben der Reise nach Russland. Danke YB für diese schönen Erlebnisse.

Sonntag, 6. Februar 2011

Gelungener Auftakt und doch viel Frust....

Endlich ging es auch für YB nach der Winterpause wieder los. Es wartete der Gang ins Tessin zur AC Bellinzona bei der man in der Hinrunde verloren hatte und zu Hause nicht über ein Unentschieden hinaus gekommen war. Also sicher keine leichte Aufgabe für Gelb-Schwarz zumal ein Sieg aufgrund des Rückstandes auf den FCB, FCZ und FCL schlicht Pflicht war.

Die Hinfahrt gestaltete sich schon mal weniger entspannt als auch schon. Wir hatten uns mit unserer Einschätzung der Mitfahrenden leicht vertan und statt der 400 die Platz gehabt hätten waren es wohl an die 500 Leute die mitfuhren was doch für einige Stehplätze sorgte. Samstag Abend und weite Anreise bedeutet auch zwangsläufig viel Alkohol, aber zumindest bis zum Schluss des Spiels hielten sich die Ausfälle eigentlich in Grenzen. Staunen kann ich immer wieder über die Ignoranz von Teilen die bei uns so mitfahren. Wie kann es eigentlich sein, dass man kaum 5 Minuten nach dem Flyer mit der Auswärtsfahren-Regelung verteilt wurden, eine Mitreisende darauf aufmerksam machen muss dass im Familienwagen an der Spitze des Zuges nicht geraucht wird?

Im Tessin erwartete uns Frühlingshaftes Wetter und der Gang vom Bahnhof zum Stadion bei gut und gerne 15 Grad kam einem Spaziergang an einem Frühlingsabend gleich, wobei einzig das Grossaufgebot an Polizei diese Phantasie zunichte machte :-)
Vor dem Stadion einmal mehr vier verrückte Darmstädter getroffen und denen noch Tickets fürs Spiel besorgt. Ist wohl das Mindesten wenn vier Leute 1800 Kilometer zurücklegen für 90 Minuten Schweizer Fussball.
Vor dem Stadion noch eine sehr leckere "Luganighetta" gegessen, scheinbar eine Tessiner-Bratwurstspezialität. War zwar teuer aber schmeckte gut. Im Block drin wie immer etwas an den Rand gestellt weil man in dem Scheiss Gästeblock auch ohne wehende Fahnen im Blockfeld eher wenig sieht. Die doch etwas überraschende Aufstellung bekam man aber zum Glück mit. Vor Goalie Wölfli reihte sich eine Dreier-Abwehr mit Affolter, Dudar und Nef auf, im Vierer-Mittelfeld besetzten Costanzo und Doubai die Zentrale und Spycher (links) und Sutter (rechts) besetzten die Couloirs. Im Dreier-Sturm überraschte Petkovic mit der Nomination von Mario Raimondi auf links. Bienvenu in der mitte und Lulic rechts durfte man erwarten. Neuzugang Farnerud (Oder Fahrni Rüedu wie einige schon zu sagen pflegen :-) )vorerst also auf der Bank. YB begann sehr engagiert und setzte die Tessiner gleich unter Druck und nach 8 Minuten war Bellenz-Keeper Gritti bereits ein erstes Mal geschlagen, der Lupfer von Bienvenu landete aber an der Latte und der Nachschuss klärte ein Tessiner auf der Linie. Doch nur wenig später entwischte Bienvenu nach einem Abkick von Wölfli (!!!) der Bellinzona-Abwehr und liess auch den letzten Tessiner Feldspieler schlecht aussehen den er mit ein wenig Körpereinsatz wegspedierte und den Ball unhaltbar für Gritti in die Maschen drosch. Was für ein Auftakt in dieses Spiel. Und es ging in gleichem Stile weiter. Raimondi sah seinen Schuss von Gritti gehalten und Bienvenu sah kurze Zeit später seinen Abschluss erneut auf der Linie geklärt. Lulic und Raimondi auf den Seiten sorgten immer wieder für viel Wirbel und stellten die Tessiner ein fürs andere Mal vor grosse Probleme. Bellinzona kam kaum einmal vors Tor von Wölfli. Ausser kurz vor dem Seitenwechsel. Affolter verschuldete einen Freistoss knapp an der Strafraumgrenze und irgend ein Bellinzona-Spieler drosch den Ball in die Torwart-Ecke zum völlig unverdienten Ausgleich.

Danach YB bis zur Pause leicht geschockt und nicht mehr in der Lage den alten Druck wieder aufzubauen. Es war bereits wieder eine leichte Verunsicherung spürbar. Da kam die Halbzeit-Pause m.E. nicht ungelegen.
Doch meine Skepsis löste sich schnell in Luft auf. YB kam so aus der Kabine zurück wie man das Spiel begonnen hatte. Konzentriert, druckvoll und spielfreudig. Lulic setzte sich nach zwei Minuten gekonnt am rechten Flügel durch, bediente den im Strafraum lauernden Bienvenu, 1:2, so einfach geht das. Und die AC Bellinzona war nun zu keinem Zeitpunkt zu einer Reaktion fähig. YB beherrschte die Partie von A bis Z und liess keinen Zweifel mehr am Spielausgang aufkommen. Erst krönte Lulic seine Starke Leistung mit dem 1:3, ehe der kurz zuvor eingewechselte Mayuka nach erneut schöner Vorarbeit von Lulic das 1:4 markierte. Und in der Nachspielzeit verhinderte Thiesson dass auch Mayuka zu seinem zweiten persönlichen Treffer kam und bugsierte den Ball gleich selbst über die Linie. Das 1:5 war auch in dieser Höhe absolut verdient. Neuzugang Farnerud der rund 30 Minuten vor Schluss für den eher blassen Costanzo eingewechselt wurde, deutete sein grosses Potential schon mal an. Ballsicherheit, Präzision und körperliche Robustheit sind beeindruckend. An dem könnten wir noch viel Freude haben und wenn er dann wirklich Fit ist, sehe ich im Moment für Costanzo keinen Platz im Team. Gegen den FCZ nächsten Sonntag könnte er eventuell den leider nach seiner vierten gelben Karte gesperrten Lulic ersetzen aber sonst ist im Moment wohl eher kein Platz für ihn. Ebenfalls sehr erfreulich verlief das Comeback von Emiliano Dudar. Schon nur seine Präsenz verleiht unserer Abwehr eine gewisse Stabilität die uns in seiner Abwesenheit schlicht gefehlt hat.

Ein definitiv gelungener Auftakt auch wenn ich mal die Prognose wage, dass es Bellinzona wenn die so weiter machen erwischen wird...
Da der Extrazug eh komplett überfüllt war und die SBB Leute mit einem GA sogar aufgefordert hatte mit Regelzügen nach Bern zurück zu fahren machten wir das auch. Und mit dem lustigen Spiel vom Radio DRS 3 (A B C DRS 3) verging die Fahrt bis Luzern auch recht schnell. Dort dann prompt der doofen SBB-Hausordnung auf den Leim gegangen, mein Bierkauf scheiterte an dem allgemeinen Verkaufsstopp von Alkohol in sämtlichen SBB-Bahnhöfen nach 22 Uhr...Na toll da freut man sich auf ein Bierchen auch um das folgende runterzuspühlen und dann das...

Eine Hiobsbotschaft gabs davor aber aus Hamburg wo ich ja am nächsten Morgen früh hinfahren wollte. Aber der Reihe nach. Erst rief mich ein Bekannter Fan vom Fanclub Old Town an und meinte das Derby sei abgesagt. Da besagte Person aber bei übermässigen Alkoholkonsum gerne zu solchen Telefongesprächen und Scherzen neigt, glaubte ich ihm natürlich kein Wort bis mich 5 Minuten später die Obersüdzecke aus Hamburg anrief mit der gleichen Botschaft und dem Zusatz "kein Scherz" Unglaublich, der sogenannte "Weltverein" schafft es tatsächlich drei Tage vor einem Spiel und bei diesen Wettervorhersagen (Das Tief war seit Tagen angekündigt und gerade in Hamburg kann es halt im Februar durchaus auch mal regnen...) seinen Rasen auszuwechseln. Das dies nicht gut gehen kann, sieht wohl auch jeder der keinen grünen Daumen hat...Nun den ging es halt wieder nach Hause statt nach Hamburg.

Die Meldungen aus dem Viertel waren aber auch ohne Derby genug aufregend. Bereits noch auf der Rückfahrt aus Bellinzona erreichten mich diverse Meldungen wonach hunderte HSV`er versucht hätten das Jolly anzugreifen und nur dank beherztem eingreifen der Gäste des Jolly Roger dies nicht gelang. Die Polizei liess den Mob tatsächlich unbehelligt vom Hans-Albers-Platz bis vors Jolly latschen wo der Angriff wie erwähnt zum Glück abgwehrt werden konnte. Quasi als Dank dafür dass man die Arbeit der Bullen gemacht hatte wurden scheinbar die Leute die den Laden verteidigten auch noch von den anrückenden Grünen zusammengeknüppelt....Und während ich diese Zeilen tippe erreichen mich bereits wieder neue Meldungen aus dem Viertel wonach die Bullen im und am Jolly Personenkontrollen durchgeführt hätten "weil der Verdacht bestand dass sich Leute vor dem Jolly sammeln um eine Straftat zu begehen"...wie dreist kann man eigentlich sein? Zuerst den Laden nicht schützen, dann die Leute die sich gegen einen Angriff wehren zusammenknüppeln und dann am nächsten Tag jene die nur zum Schutz ihrer Kneipe (Weil es die Polizei ja offensichtlich nicht tut!!!) vor Ort sind noch schikanieren....Und die Presse springt schön auf den Zug auf. Statt das Kind beim Namen zu nennen (Obwohl das erstaunlicherweise sogar die Polizei in ihrer Pressemitteilung gemacht hat) und von den Angriffen der HSV`er aufs Jolly zu berichten, wird von "Schlägereien zwischen den Fanlagern" geschrieben...da ist man echt sprachlos...

Hier noch eine Pressemitteilung von Ballkult/Jolly Roger:

Fankneipe Jolly Roger Ziel von Angriffen

Wir stellen fest:

Am 05.02. gegen 22.00 Uhr griffen bis zu 200 Personen das Jolly Roger in der Budapester Straße an. Zuvor lief diese Gruppe unbehelligt vom Hans-Albers-Platz über Reeperbahn und Hein-Hoyer-Straße. Der Angriff konnte von vielen Menschen abgewehrt werden. Die Polizei erschien erst etliche Minuten später und ging zunächst mit Schlagstöcken gegen St. Pauli-Fans vor dem Jolly Roger vor. Hierbei wurden einige Gäste leicht verletzt.

Noch mehrfach in der Nacht wiederholte sich das Szenario, hier war die Polizei aber früher vor Ort. Im Gebiet zwischen Paulinenplatz und Reeperbahn kam es über Stunden zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und HSV-Fans. Hierbei wurden Autos und Scheiben von Lokalen in Mitleidenschaft gezogen. Zu keiner Zeit haben größere Gruppen von St. Pauli-Fans das Jolly Roger verlassen.

Um ca. 2.00 Uhr wollte eine Gruppe von 4 Menschen vom Paulinenplatz zum Jolly Roger gehen. In der Paulinenstraße wurden sie von behelmten Polizisten ohne Grund und ohne Vorwarnung angegangen und in einen Hauseingang gestoßen. Ein junger Mann wurde in Gewahrsam genommen. Eine junge Frau wurde von der Polizei zu Boden gestoßen. Hierbei wurden ihr beide Unterarme gebrochen. Die Aufforderung, einen Rettungswagen zu rufen, wurde zunächst ignoriert und ihr stattdessen geraten, sich ein Taxi zu rufen. Der später doch noch eintreffende Rettungswagen brachte die Frau ins Krankenhaus St. Georg, wo sie sich auch am heutigen Sonntag Nachmittag noch befindet und auf die notwendige Operation wartet. Der in Gewahrsam genommene Mann wurde am Morgen zeitgleich mit 4 HSV-Fans entlasssen. Ein Grund für die Maßnahme wurde bis jetzt nicht genannt. Die Betroffenen beraten derzeit rechtliche Schritte gegen die Polizei wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung.

Um so entsetzter sind wir angesichts der Tatsache, dass noch in der Nacht auf der homepage einer großen Tageszeitung unter Berufung auf eine Polizeisprecherin zu lesen war, Gruppen von St. Pauli-Fans wären den ganzen Abend randalierend durch St. Pauli gezogen.

Wir fragen uns:

Wie kann es angehen, dass es einer großen Gruppe Angreifer gelingt, 700 Meter unter den Augen der Polizei in Richtung Jolly Roger zu laufen, um einen Angriff zu starten? Wir erinnern daran, dass dies auch bereits nach dem Derby-Hinspiel geschah.

Ist die Polizei Hamburg so unfähig oder steckt politischer Wille dahinter? Soll kurz vor der Wahl noch ein bisschen auf der Klaviatur der inneren Sicherheit gespielt werden? Warum werden offensichtlich gezielte Falschmeldungen gestreut, um St. Pauli-Fans zu diskreditieren?

Warum taucht der schlimme Vorfall mit der verletzten Frau in keinem Polizeibericht auf?

Für uns heißt dies, dass der Schutz unserer Läden und Einrichtungen nach wie vor selbst organisiert werden muss und wird.

Wir bedanken uns bei den vielen Menschen, die sich in der vergangenen Nacht solidarisch und angesichts der Provokationen der HSV-Einzeller besonnen verhalten haben.
Wir wünschen der verletzten Frau eine baldige und vollständige Genesung.

Wir fordern eine Aufklärung des erneuten polizeilichen Fehlverhaltens. An letzteres glauben wir allerdings nicht mehr, da nach dem Polizeiüberfall auf das Jolly Roger im Juli 2009 (!) immer noch kein Polizist zur Rechenschaft gezogen wurde.

Unser Mitgefühl gilt auch all den vielen Fans, die aus anderen Städten und Ländern (die weiteste Anreise hatten 2 Fans aus Australien) umsonst angereist sind und nun wie auch der FC St. Pauli auf den entstandenen Kosten sitzen bleiben, weil der „Weltclub“ vom Stadtrand es nicht auf die Kette bekommt, einen bespielbaren Rasen zu präsentieren.

Wir haben Euch was mitgebracht: Gras! Gras! Gras!

Jolly Roger/BallKult e.V.
Hamburg St. Pauli, den 06.02.2011


Viel mehr gibt es eigentlich gar nicht zu schreiben. Ich weiss nur eines. All diese Vorkomnisse werden die Fanszene des FC St.Pauli noch enger zusammenschweissen, Jolly Rouge, die Angriffe aufs Jolly, die auf politischen Gründen basierende Schikane der Hamburger Polizei, all das ist Wasser auf unsere Mühlen!

No Pasaran! Wir sind Sankt Pauli!

Montag, 17. Januar 2011

Unbeschreiblich

Als ich Samstag morgen im Flieger sass und in Richtung Hamburg abhob war es plötzlich wieder da. Dieses ganz spezielle kribbeln dass wohl jeder kennt der sich intensiver mit Fussball beschäftigt. Es schien fast als hätte ich eine unterbewusste Vorahnung gehabt was ein paar Stunden später im Millerntor passieren würde. Aber vielleicht war es auch einfach nur die Vorfreude endlich wieder in Hamburg zu sein und all die lieben Menschen die meine Leidenschaft teilen wiederzusehen. Wer meinen letzten Blogeintrag noch präsent hat wird dort einiges an Frust herausgelesen haben. Der war zum Glück über die kurze Winterpause etwas verflogen und ich weiss wieder warum ich das immer noch so regelmässig tue.

Alle Leute die ich vor dem Spiel traf waren angespannt und die meisten weil es nicht abschätzbar war wie viele wir sein werden, wie viele den Jolly Rouge-Protest mittragen würden. Stunden vor dem Spiel wurde schnell klar dass es einige sein werden. Überall waren Leute mit roten Fahnen, Mützen, Pullis, Shirts und was auch immer unterwegs. Überall wurden Flyer verteilt, Kleber, Buttons. Es war schon jetzt beeindruckend. Sogar vor Kneipennamen machte der Protest nicht halt: Das Jolly Roger hatte seinen Namen in Jolly Rouge geändert.

Was dann im Stadion abging war schlicht und einfach unbeschreiblich. Süd, Nord, Gegengerade, ja sogar rechts und links der Business-Seats auf der Haupt, Rot und der schwarze Jolly Roger. Ein Meer in Rot von Fahnen, Transparenten, Mützen, Kartons, Blättern. Eindrücklicher als mit diesen Bildern kann man nicht beschreiben was dieser Verein immer noch ausmacht. Trotz allen Versuchen von Seiten des Vereins den Protest zu marginalisieren und als ein Schnellschuss von ein paar "Spinnern" abzutun, war es die am breitesten abgestützte Fanaktion seit dem Millerntaler-Protest, wenn nicht sogar grösser. In dem Moment wusste ich trotz all den Kämpfen, Missverständnissen und Unterschiedlichsten Meinungen in dieser Fanszene, warum der FC Sankt Pauli ein so wichtiger Teil meines Lebens geworden und auch weiterhin ist und sein wird. Diese Kreativität, diese Energie und dieser Wille den FC Sankt Pauli als einen etwas anderen Verein weiterleben zu lassen, mit allen Konsequenzen die dafür zu tragen sind, ist schlicht einmalig. Die Botschaft der Sozialromantiker wurde verstanden. Nicht als Verweigerung gegenüber jeglichen Mechanismen des heutigen Spitzenfussballs, aber als Zeichen dass es nicht um jeden Preis sein muss, dass es Grenzen gibt die man beim FC Sankt Pauli nicht überschreitet und heisst dies auch dass man deshalb wohl kaum einmal irgendwas gewinnen wird. Es bleibt zu hoffen dass die Botschaft auch bei denen angekommen ist an die sie adressiert war.

Und die Eigendynamik die der ganze Protest angenommen hat, mit allen Facetten die auch den Stadtteil und seine Bewohner betreffen finde ich Phänomenal. Da wurden Brücken geschlagen zu ebenso aktuellen wie zusammenhängenden Gesellschaftsproblemen. Und genau das macht diesen Verein ebenso aus. Seine Verbundenheit zum Viertel, das Selbstverständnis dass der Verein das Viertel braucht und das Viertel den Verein braucht. Das Selbstverständnis dass die Alltagsprobleme zwar im Stadion verarbeitet werden können, aber niemals vergessen werden und wenn nötig auch direkt da angesprochen werden.

Und ich möchte es auch nicht unterlassen, auch jene zu erwähnen die den Protest inhaltlich zwar grundsätzlich teilen, es aber im Moment für die falsche Option hielten und deshalb nicht mittrugen. Ich hatte im Nachgang zur Demo eine sehr spannende und bereichernde Diskussion mit einem alten St.Pauli-Fan und auch wenn wir beide wohl eine ziemlich andere Vorstellung unseres Fanlebens haben und dies auch komplett anders leben: Der gegenseitige Respekt war immer spürbar und das ist es doch letztlich auch was zählt. Wir können anderer Meinung sein, können auch mal hart und laut diskutieren, aber der Respekt sollte immer da sein. Und diese Haltung spüre ich durchaus noch in unserer Fanszene und das ist nach all den Geschehnissen wie Rostock und jetzt diesem immer weitergehenden Kommerzwahnsinn doch eigentlich ein gutes Zeichen.

Es gilt jetzt aber den Protest nicht versiegen zu lassen, es war ein sehr starkes Zeichen und das Präsidium kann jetzt nicht mehr damit kommen dass es nur ein paar Internet-Spinner sind. Aber wir dürfen uns keinesfalls damit zufrieden geben und den Protest weitertragen. Ich bin heute zuversichtlicher den je das dies gelingen wird.