Ganz ehrlich: Das letzte Wochenende liegt mir immer noch schwer auf dem Magen. Klar das Abstimmungsresultat war irgendwie zu erwarten gewesen. Trotzdem muss ich zugeben dass ich doch irgendwie darauf gehofft habe dass die Mehrheit der abstimmenden Bevölkerung der Vernunft folgt und die Initiative der SVP bachab schickt. Man muss sich schon fragen was aus dem Land geworden ist, dass sich immer noch seiner humanitären Tradition rühmt, seiner pragmatischen Suche nach Lösungen und Konsens. Menschenrechte, Völkerrecht und nach meiner Meinung nicht zuletzt die Verfassung unseres Landes wurden mit Füssen getreten. Wie weit teilweise totalitäre Gedanken mittlerweile fortgeschritten sind, zeigen die Reaktionen auf Kritik am Abstimmungsergebnis. Die SVP und andere rechte Kreise kommen dann gleich mit dem Totschlag-Argument die Gegner würden das Resultat nicht akzeptieren. Quasi nach dem Motto es wurde so abgestimmt, das ist jetzt sakrosankt und Kritik ist bloss "töipele" Da kann man wirklich Angst kriegen um das Demokratieverständnis dieser Kreise. Natürlich ist es in einer Demokratie erlaubt sein Unbehagen über ein Abstimmungsresultat kundzutun. Die Aufforderungen von Rechts jetzt einfach die Klappe zu halten "denn das Volk habe entschieden" hat für mich definitiv totalitären Charakter.
Endgültig wütend werde ich, wenn ich mir dann von sogenannt Linken und Liberalen anhören muss, ich hätte mit meinem doppelten Nein der Initiative zum Durchbruch verholfen. Erstens stimmt die Argumentation von Markwalder und co. nicht (www.nationofswine.ch liefert den Gegenbeweis) und zweitens glaube ich wenn die Linke (und damit insbesondere die Sozialdemokraten) von Anfang an geschlossen gegen die Initative und den nicht wirklich besseren Gegenvorschlag zu Felde gezogen wäre, hätte es anders rauskommen können. Denn es war mit nur 2,9 Prozent Unterschied doch knapp. Mal ganz davon abgesehen dass die Bürgerlichen und Teile der Linken von Anfang an bereits in blinder Angst vor einem weiteren SVP-Sieg den Gegenvorschlag ausgepackt haben, statt mit sachlichen und nüchternen Argumenten die Initiative für Ungültig zu erklären oder wenigstens geschlossen zu bekämpfen. Etwas mehr Mut würde gerade der SP im Moment gut anstehen und in diesem Zusammenhang finde ich das neue Parteiprogramm schon mal ein Schritt in die richtige Richtung auch wenn einige konservative Linke gerade auch hier im Oberland wegen des Armeeabschaffungszieles plötzlich in bürgerliche Hysterie verfallen. Aber das ist wieder ein anderes Thema zu dem man einen Blogeintrag alleine schreiben könnte.
Wenn ich in meinem "Fussball-Blog" schon bei der Politik bin: Ähnlich unverständlich wie das Verdikt zur SVP-Initiative ist für mich auch das klare Nein zur Steuergerechtigkeits-Initiative der SP. Hatte diese noch zwei Wochen vor dem Abstimmungstermin eine klare Mehrheit von über 58% hinter sich, änderte sich dies nach dem Eingreifen der Wirtschaftslobby schlagartig. Ein paar völlig überdrehte Drohungen von Wirtschaftsbossen sie würden das Land bei einem Ja verlassen und Plakate mit schlicht falschem Inhalt reichten offensichtlich um selbst im linken Lager Nein-Stimmen abzuholen. Diese Wirtschaftsgläubigkeit geht mir je länger je mehr tierisch auf den Keks.
Wenigstens gewann YB mit etwas Glück aber keineswegs unverdient gegen die Tretertruppe aus Mordor äh aus dem Wallis. Zumal Ex-YB-Trainer Challendes seine Mannen extrem defensiv eingestellt hatte, war der Erfolg keineswegs selbstverständlich. A propos Challendes: Der muss ja dort einen unglaublichen Zapfen abholen wenn er sich vom König Constantin dermassen zur Marionette degradieren lässt...Naja es hat halt doch fast jeder einen Preis.... Nun, wirklich aufheitern konnte mich auch dieser Sieg nicht. Sehr gefreut habe ich mich aber für Marco Schneuwly der mit seinem Siegtor wichtigen Anteil an den drei Punkten hatte. Er hat sich dieses Tor definitiv verdient und es ist zu hoffen dass er damit wieder mehr Selbstvertrauen findet und sich wieder an seine Form von vor der Verletzung annähern kann. Wirklich interessant ist ja dass wir trotz teilweise mässigen Leistungen immer noch voll dabei sind. 5 Punkte auf die drei vor uns liegenden Mannschaften sind keine Welt und mit einem Sieg am nächsten Samstag in Basel wäre endgültig wieder alles offen.
Vorher wurde aber gestern dass "Supplement" serviert. Und was für eines. Bei Bedingungen nahe an der Irregularität überzeugte YB gegen den Bundesligsten aus Stuttgart. Petkovic vertraute den gleichen elf Spielern die drei Tage zuvor gegen den FC Mordor. Und auch wenn sich unser Liverpool-Aficionado ob den Platzverhältnissen einen Marco Dittgen wünschte war das definitiv die richtige Entscheidung. Das schwelgen in Erinnerungen liess mich übrigens noch eine Wette verlieren, Sämi Drakopulos war wohl doch schlechter als ich ihn in Erinnerung habe ;-)
Wie dem auch sei. Zwar musste man sich immer noch über Doubais Fehlpässe ärgern, aber angesichts der Alternativen muss man sich wohl einfach daran gewöhnen. Zumindest wenn da nicht am Kader nachgebessert wird. Leider bezweifle ich mittlerweile dass er jemals wieder an seine Form von vor seiner Verletzung herankommen wird. Es ist zu hoffen dass ich mich irre. Auf den Flügeln sorgten David Degen und Lulic für Wirbel, wobei Lulic im Moment irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn wandelt. Einerseits tolle Einzelaktionen, andererseits teilweise wirklich ärgerliches stehenbleiben nach Ballverlusten. Der Junge wäre sehr talentiert, wenn er jetzt noch an seiner mentalen Einstellung arbeitet wird der mal richtig gut. Einen grossen Abend hatte für mich (und hätte er auch ohne seine zwei Tore gehabt) Emanuel Mayuka. Dafür dass er angeblich letzte Woche zum ersten Mal Schnee gesehen hatte, war seine Leistung auf dem ungewohnten Grund mehr als bemerkenswert. Er rannte und wirbelte als hätte er in seinem Leben vorher nichts anderes gemacht als auf Schnee Fussball zu spielen. Die erste Halbzeit gehört so klar unseren Jungs in Gelb-Schwarz. Bereits nach drei Minuten wäre Ziegler im Tor des VfB geschlagen gewesen, Lulic` Schlenzer klatschte aber nur an die Latte. Degen und Mayuka vergaben weitere Chancen, ehe in der 34.Minute Degen mit einem wunderbaren Schuss den zu weit vor seinem Tor postierten Ziegler erwischte und den verdienten Führungstreffer erzielte. Bereits vor dem Spiel gab es teilweise surreale Bilder zu bestaunen, so fuhren immer noch Schneeräumungsfahrzeuge auf dem Kunstrasen umher als sich die Spieler bereits am warmlaufen waren. Und nach rund 30 Minuten ordnete der Schiedsrichter die erneute Räumung des Schnees von den Linien an was zu einem rund 5-Minütigen Unterbruch führte. Die Pausenführung für Gelb-Schwarz war auf jeden Fall hochverdient.
Nach dem Seitenwechsel kam Stuttgart besser ins Spiel und es gelang den Deutschen nun vermehrt den Ball in den eigenen Reihen zu halten und YB unter Druck zu setzen. Nach einem üblen Aussetzer von Nef der Wölfli behinderte traf der russische Nationalstürmer Pogrebnjak zum Ausgleich. Stuttgart in dieser Phase kurz nach der Pause weiter dominant aber mit wenig durchschlagskraft. YB kam nur noch vereinzelt vors Stuttgarter Tor. Nach einem Stellungsfehler von Affolter und dem aufheben des Offsides von Jemal, stand der vorher erst eingewechselte Schipplock alleine vor Wölfli und liess sich nicht zweimal bitten 1:2. Und hier entstand dann auch die Überschrift für diesen Blog-Eintrag. Ein gewisser N.S. hatte schon beim Sion-Spiel vorausgesagt das Marco Schneuwly noch ein Tor schiessen werde. Und auch diesmal lag er mit seinem Statement, "einfach positiv bleiben" genau richtig. Anders als nach dem 1-1 konnte YB auf dieses Gegentor reagieren. Und wie. Innerhalb von 5 Minuten drehte YB das Spiel wieder. Zuerst traf Sutter mit gütiger Mithilfe von Niedermeier zum 2:2. Zu diesem Zeitpunkt machte bereits das Endresultat aus Odense die Runde und ein weiterer Treffer von YB würde also die definitive Qualifikation für den 1/16-Final bedeuten. Und dann kam die grosse Mayuka-Show. Zuerst spekulierte er gekonnt auf einen Fehler in der Stuttgarter-Abwehr und lief alleine auf Ziegler zu und bezwang diesen von halbrechter Position in "Doumbia-Manier" zum stürmisch bejubelten 3:2. Und keine zwei Minuten später verpasste Marco Schneuwly eine Hereingabe von Sutter denkbar knapp, Ziegler fälschte den Ball noch etwas ab genau auf den Fuss von Mayuka der den Ball in Bedrängnis über die Linie stocherte. Was für eine Schlussphase, die YB-Viertelstunde lebt!
Wahrlich ein grosser Tag, seit der Saison 87/88 in der YB im Europapokal der Cupsieger bis in den Viertelfinal vorstiess (mit damals allerdings bloss zwei vorangehenden Runden) und dort an Ajax Amsterdam scheiterte, ist es das erste Mal dass YB wieder im Europapokal überwintert. Von den Punkten für unseren UEFA-Koeffizienten mal abgesehen. Die beiden letzten Runden in der Meisterschaft jetzt mal noch ausgenommen, ist YB also wohl im Frühling noch in allen drei Wettbewerben im Geschäft, was doch eigentlich keine schlechte Bilanz ist wenn man an das Gejammer von vielen "Experten" nach dem durchzogenen Saisonstart so betrachtet. Klar: YB strahlt nicht mehr dieses Selbstverständnis aus mit dem noch letztes Jahr im Herbst die Spiele gewonnen wurden. Aber auch auf die Gefahr hin dass ich mich wiederhole: Eine Mannschaft die solch schwerwiegende Abgänge zu verkraften hat wie es YB letzten Winter oder nach Ende der Saison hatte, braucht Zeit um zu wachsen. Und Fortschritte sind einige erkennbar auch wenn es sicher noch einige Baustellen gibt. Gerade das zentrale Mittelfeld bräuchte dringend noch einen Ballverteiler der die Angriffe einleiten und das Tempo bestimmen kann. Weder Spycher, Costanzo, Hochstrasser noch Doubai werden diesem Anspruch im Moment gerecht.
Aber wer weiss vielleicht tönt das am 12.Dezember schon wieder ganz anders. Es ist noch viel möglich und ich freue mich jetzt einfach riesig dass wir im Frühling weiter durch Europa ziehen dürfen.
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