Freitag, 20. November 2015

Besuch der ESMA - Ein dunkles Kapitel Argentiniens

Am nächsten Tag wollten Lüku ich und Anna, eine deutsche Mitbewohnerin von Lüku im Haus in dem er momentan lebt, etwas von der Geschichte Argentiniens kennenlernen.
Dazu muss ich wohl etwas ausholen. Zwischen 1976 und 1983 regierte eine Militärdiktatur Argentinien mit eiserner Hand. Politische Gegner, also vor allem Linke, aber auch Intellektuelle und   Künstler wurden vom Regime mundtot gemacht, verschwanden in Gefängnissen, wurden gefoltert und getötet. Ein wirklich dunkles Kapitel in der Geschichte Argentiniens und dies ist auch erst etwas mehr als 30 Jahre her.

Viele der damals vom Regime verfolgten gelten heute noch als offiziell als verschollen, weil ihre Leiche nie gefunden wurde. Tausende wurden nach der Folterung um an Informationen der Gegner zu kommen, mit Drogen und Medikamenten wehrlos gemacht um sie anschliessend in dem Zustand bei lebendigem Leibe über dem Meer aus einem Flugzeug zu werfen. Grausam. Meist waren diese Gegner des Regimes junge Menschen, mit Familien und Kindern. Schier unfassbar mutet an, dass das Regime die kleinen Kinder dieser Menschen an beteiligte des Regimes oder an Regimetreue weitergab. Hunderte von Kindern wuchsen so bei Eltern auf die gar nicht ihre eigentlichen Eltern waren und dazu teilweise wohl sogar noch wussten was mit den eigentlichen Eltern dieser Kinder passiert war. Man stelle sich das mal vor. Etwas was für diese heute erwachsenen Menschen ein Schock sein muss wenn sie es erfahren.

Bereits ein Jahr nach der Machtergreifung des Militärs begannen Mütter von Verschollenen auf die Praktiken des Regimes aufmerksam zu machen. Damals galten Ansammlungen von mehr als drei Menschen im öffentlichen Raum als eine Demonstration und war per Gesetz verboten. Egal ob der Grund der Ansammlung tatsächlich eine Meinungsäusserung war oder nicht. Am Anfang waren es 14 Frauen die sich auf der Plaza de Mayo in Buenos Aires direkt vor der Casa Rosada dem Präsidentenpalast, versammelten. Die Polizei machte diese Frauen sofort darauf aufmerksam das diese Versammlung verboten war und sie nach Hause gehen sollten, sonst würden sie verhaftet. Die Frauen jedoch teilten sich danach in 4 Gruppen a 3 und eine Gruppe mit 2 Frauen auf. So schlugen sie dem Regime ein Schnippchen, denn so war ihre Demonstration legal. Und das Regime konnte es sich nicht leisten, Frauen in aller Öffentlichkeit zu verhaften die sich nichts zu schulden kommen lassen.

Viele Argentinier sagen heute, die grosse Öffentlichkeit habe von den grausamen Machenschaften des Regimes nichts gewusst. Dies mag sogar zutreffen, zumal die Militärs penibel darauf achteten von Anfang an alles zu vertuschen. Heute gibt es verschiedene Organisationen die sich um Aufklärung bemühen. Es gibt neben den „Madres de Plaza de Mayo“ auch eine Gruppe von Grossmüttern die ihre Enkel suchen. die „Abuelas de Plaza de Mayo“ Diese sind heute auch viel populärer als die ursprüngliche Gruppe Frauen. Dies wohl weil sich erstere für diverse politische Zwecke einspannen liessen und so bei vielen an Glaubwürdigkeit einbüssten. Diese Gruppe von Grossmüttern auf der Suche nach ihren Enkeln, wird in einer Ausstellung in der ESMA auch gross gewürdigt und es ist sehr eindrücklich. In verschiedenen Räumen werden erst die wiedergefundenen Enkel und die Geschichte ihrer Eltern erzählt. Weiter werden die Methoden erklärt mit der auch heute noch weiter gesucht wird. Jeder der Zweifel hat, ob seine Eltern wirklich seine richtigen Eltern sind, kann einen DNA-Test durchführen lassen, anhand dessen heute einfach die Abstammung geklärt werden kann. Man muss sich aber die Arbeit vorstellen, als es diese Methode noch nicht gab. Eine unglaubliche Aufgabe in alten Archiven zu recherchieren und dann auch Belege zu finden die eindeutig beweisen das dies Kinder von Eltern sind die vom Regimes entführt und getötet wurden.

Was ist die ESMA aber eigentlich? Die Gefängnisse in denen das Regime ihre politischen Gegner festhielt und folterte waren oft als „normale“ militärische Einrichtungen getarnt. So war es auch bei der „Escuela de Mecanica de la Armada“  So umfasst der ganze Komplex eigentlich nur ein Haus, in dem gefoltert wurde und die Gegner des Regimes festgehalten wurden. Der Rest war eine „normale“ Militärschule und der Betrieb lief dort völlig normal, sogar ein Spital war auf dem Gelände eingerichtet. Nach dem Ende der Diktatur, wurde das Gelände erst sich selbst überlassen. erst die jetzige, nach zwei Amtsperioden bald abtretende Präsidentin Christina Kirchner liess das Gelände vor ein paar Jahren wieder öffnen und es soll dort ein umfassendes Zentrum des Gedenkens entstehen, noch ist vieles nicht fertig renoviert und vieles macht noch einen provisorischen Eindruck. Aber dies ist sicher ein wichtiger und richtiger Weg die Geschehnisse von damals aufzuarbeiten und insbesondere nachkommenden Generationen eine Warnung sein, dass man so etwas nie wieder zulassen darf. Interessant und speziell zugleich ist ein Haus das als Kunstgalerie genutzt wird und sich Künstlern widmet die sich künstlerisch mit der Zeit der Militärdiktatur befassen. So ist dort eine Plastik ausgestellt die einen zerteilten Ford Falcon zeigt, jenes Fahrzeug mit der die Häscher des Regimes die Gegner entführten. Für mich ist dies doch sehr speziell, wobei ich auch finde dass eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema sicher auch einen anderen Blickwinkel ermöglicht. Das Gebäude in dem das Regimes seine politischen Gegner festhielt und folterte, ist jeweils nur in einer Führung zu besichtigen. Dies nur von Freitag - Sonntag, weshalb wir dort nicht reingehen konnten. Wir alle fanden das aber auch völlig ok.So ein Ort sollte man nicht einfach ohne entsprechende Informationen besuchen können. Vielleicht kann ich dass bei meiner Rückkehr nach Buenos Aires Ende Monat noch nachholen. 

Mit doch eher gedrückter Stimmung traten wir den Rückweg an. Da das „El Monumental“ das Stadion von River Plate gleich um die Ecke lag, machten wir noch einen schnellen Abstecher dahin. Am nächsten Tag sollte nämlich River Plate im Hinspiel der Copa Sudamerica (die Europa League Südamerikas) gegen Huracan antreten und da wir eh in der Gegend waren, schadete es ja nichts mal vorbeizuschauen um eventuell ein Ticket für mich zu ergattern. Bei River Plate klappt das mit der Presse nämlich nicht einfach so. Die Schlange war aber a) unglaublich lang und b) gab es Tickets nur für „Socios“ also Mitglieder. 
Zum Glück kennt Lüku durch seine Freunde bei San Lorenzo auch ausserhalb des San Lorenzo-Universums mittlerweile einige „Porteños“ (So nennen sich die Bewohner von Buenos Aires selbst, in Anlehnung an den einstweilen wichtigen Hafen) Und so konnte dann später über diese Leute ein Ticket für mich klargemacht werden. Zwar massiv über dem Original-Preis, aber immer noch im Rahmen wenn man bedenkt dass es ich um ein Halbfinale in einem internationalen Wettbewerb handelt. Zwar rang ich noch ein wenig mit mir, denn eigentlich ist es mir zuwider diesen „Markt“ zu unterstützen, aber mein Fussballfieber gewann schlussendlich gegen meine Gewissensbisse :-)


Der Freund von Lukas welcher mir das Ticket besorgt hatte, wollte eh noch mit anderen Freunden in den Ausgang am Abend und brachte das Ticket gleich mit, da sie sich bei Lüku zum eintrinken treffen wollten. Es blieb dann dabei. Nach einigen Rum-Cola (wohl einem oder zwei zu viel für mich ;-) verabschiedeten sich die Jungs wieder, der River Plate-Fan ….. bot mir aber an, am nächsten Tag gleich mit ihnen ins Stadion zu kommen. Wir tranken im Haus noch mit Mathias und Nadia, zwei Dänen die Freunde eines weiteren Hausbewohners sind, noch etwas weiter bis wir schliesslich doch mal noch ins Bett fanden. Mathias stellte sich als grosser FC Kopenhagen Fan heraus und so hatten wir sofort auch genügend Gesprächsstoff. Auch über St.Pauli und den HSV aber auch andere interessante Themen ausser Fussball :-) Was wiederum seine Freundin freute :-)



In diesem Haus auf dem Gelände der Militärschule wurden die verschleppten Regimegegner festgehalten und gefoldert.


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